Auf den Tod eines kleinen Kindes...



Jetzt bist du schon gegangen, Kind,
Und hast vom Leben nichts erfahren,
Indes in unseren welken Jahren
Wir Alten noch gefangen sind.

Ein Atemzug, ein Augenspiel,
Der Erde Luft und Licht zu schmecken,
War dir genug und schon zuviel;
Du schliefst ein, nicht mehr zu wecken.

Vielleicht in diesem Hauch und Blick
Sind alle Spiele, alle Mienen
Des ganzen Lebens dir erschienen,
Erschrocken zogst du dich zurück.

Vielleicht wenn unsre Augen, Kind,
Einmal erlschen, wird uns scheinen,
Sie hätten von der Erde, Kind,
Nicht mehr gesehen als die deinen.

August

Das war des Sommers schönster Tag
Nun klingt er vor dem stillen Haus
in Duft und süßem Vogelschlag
unwiederbringlich leise aus.

In dieser Stunde goldnen Born
gießt schwelgerisch in roter Pracht
der Sommer aus sein volles Horn
und feiert seine letzte Nacht.

Ausklang

Wolkenflug und herber Wind
Kühlt mich, der ich krank gewesen.
Träumend wie ein stilles Kind
Ruh ich aus und bin genesen.

Nur ein Klang in tiefer Brust
Ist von meinem armen Lieben,
Dämpfend alle laute Lust,
Leis und trauernd überblieben.

Diesen namenlosen Klang,
Während Wind und Tannen rauschen,
Kann ich Stunden, Tage lang
Schweigend hingegeben lauschen.

Aus zwei Tälern

Eine Glocke läutet
im Grund fernab,
läutet und bedeutet
ein frisches Grab.

Ein Lautenschlagen
vom andern Tal
bringt hergetragen
der Wind zumal.

Mir aber will bedeuten:
liedsang und Sterbeläuten
ist recht für einen Wandrer
zusammengestimmt.

Mich wundert, ob ein andrer
die beiden zumal vernimmt?

Bahnhofstück

Auf einer Reise, heiß und matt,
Saß ich im überfüllten Wagen,
Ein altes, breites Zeitungsblatt
In beiden Händen aufgeschlagen.

Der Zug hielt an. Ich schaute auch
Wie andre müßig durch die Scheiben,
Sah Hüte, Schleier, halb im Rauch
Mir fensterlang vorübertreiben.

Da bog aus dunklem Seidenflor
Mit feiner Stirn und blonden Haaren
Ein schöner Frauenkopf sich vor,
Den ich gesucht seit vielen Jahren.

Ich schrak empor, und meine Hand
Fuhr zitternd nach dem Fensterrahmen,
Da hört ich im Gewühl genannt
Mit lauter Stimme ihren Namen.

Ich sah nun, den ich lang gehaßt,
Mit kühlem Gruße zu ihr treten,
Am Arm die leichte Reiselast,
Und hört ihn leise mit ihr reden.

Sie gingen weg. Der Pfiff erklang,
Ich sank zurück; ein schwerer, trüber,
Schmerzhafter Dunst ins Aug´ mir drang,
Und draußen flog die Stadt vorüber.

Bhagavad Gita

Wieder lag ich schlaflos Stund um Stund,
Unbegriffenen Leids die Seele voll und wund.

Brand und Tod sah ich auf Erden lodern,
Tausende unschuldig leiden, sterben, modern.

Und ich schwor dem Kriege ab im Herzen
Als dem blinden Gott sinnloser Schmerzen.

Sieh, da klang mir in der Stunde trüber
Einsamkeit Erinnerung herüber,

Und es sprach zu mir den Friedensspruch
Ein uraltes indisches Götterbuch:

"Krieg und Friede, beide gelten gleich,
Denn kein Tod berührt des Geistes Reich.

Ob des Friedens Schale steigt, ob fällt,
Ungemindert bleibt das Weh der Welt.

Darum kämpfe du und lieg nicht stille;
Daß du Kräfte regst, ist Gottes Wille!

Doch ob dein Kampf zu tausend Siegen führt,
Das Herz der Welt schlägt weiter unberührt."

Ballade vom Klassiker

Frühe schon zum Klassiker berufen
fühlte sich der Jüngling Emil Bums,
nahte, Gott im Busen, sich den Stufen
des Appoln geweihten Heiligtums.

Selten sah man wahrlich einen Dichter
so von herer Streberei beseelt,
bald schon sah er sich vom Chor der Richter
als des Volkes Liebling auswerwählt.

Niemals gab er sich die kleinste Blöße,
wich vom Pfad strengster Tugend nie,
sang von Gott und nationaler Größe,
was ihm ungeheuren Ruhm verlieh.

Leider war dem Hochpflug nicht gewachsen
dieses Edeldichters schwaches Herz,
und auf einer Vortragsreise durch Sachsen
ward er krank und schwang sich himmelwärts.

Eine Trauerfeier ohne gleichen,
der Bedeutung des Moments sich voll bewußt,
schmückte mit des Vaterlands Eichen
des verewigten Sängers Heldenbrust.

Industrie, Finanz, Behörde, Presse
stand ergriffen um das offne Grab,
Gerhard Hauptmann warf und Hermann Hesse
eine Schaufel voll Papier herab.

Unter andern herrlichen Trophäen
in des Volksmuseums Heiligtum
sieht man seine Schreibmaschine stehen,
sonntags viel bestaunt vom Publikum.

Nie wird dieser alte Mann vergessen werden,
Deutschlands letzter Klassiker vielleicht,
denn fürwahr, es findet sich auf Erden
keiner, der ihm nur das Wasser reicht.

Ja ich selbst, der ich den Bums erfunden,
der ihm Namen, Ruhm, Gestalt verlieh,
beuge mich beschämt und überwunden
vor so viel Talent, so viel Genie.

Und so wallt des Göttlichen Gedächtnis,
von der rauhen Wirklichkeit befreit,
seines Volkes edelstes Vermächtnis,
durch Jahrhunderte zur Ewigkeit.

Bei der Toilette

So viele Jahre lebt ich fern der Welt,
Fremd diesem Markt der Weiber und Genüsse,
Wild, ungepflegt, und auf mich allein gestellt,
Bruder der Bäume, Freund der Seen und Flüsse.
Jetzt lern ich Abende damit vertun,
Frisur, Krawatte, Hemd und Haut zu pflegen,
Im Smoking auszugehen und blanken Schuhn,
Am Boy vorbei, der Tanzmusik entgegen.

Im Spiegel seh ich lächeln mein Gesicht,
Ein wenig müd, ein wenig grauer, bleicher,
Ein wenig böser auch und faltenreicher.
Einst war das Auge klar, die Stirne licht,
Wange und Lippe lachender und weicher,
Da braucht ich Puder und Pommade nicht.

Nun, altes Männlein, kämme hübsch den Scheitel,
Rasier dich gut und schlüpf ins Abendhemd!
All dein Bemühn ist doch vermutlich eitel,
Du bleibst doch in dieser Welt immer fremd.
Und einmal wird der Wald zurück dich reissen,
Der Bach, der Regen, Sterne, Berge, Seen,
Du wirst den hübschen Plunder von dir schmeissen
Und noch einmal die alten Wege gehn,
Wirst wieder wandern, schweifen, schauen dürfen,
Den Becher Einsamkeit zu Ende schlürfen
Und sterben in der Wildnis ungesehn.


Дата добавления: 2019-02-12; просмотров: 182; Мы поможем в написании вашей работы!

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